Zirkadiane Rhythmusstörungen

Zirkadiane Rhythmusstörungen können mit Depressionen zu tun haben

Zirkadiane Rhythmusstörungen werden im Zusammenhang mit Depressionen und dem in der Depression auftauchenden Morgentief beschrieben. Zunächst eine Begriffsklärung.

Was heißt zirkadian?

Zirkadian ist ein Adjektiv (engl. circadian). Es setzt sich aus dem lat. circa (um-herum / ringsum) und lat. dies, diei (der Tag) zusammen. Die Bezeichnung zirkadian kommt so gut wie ausschließlich in der Medizin und der Schlafmedizin zum Einsatz.

Alle biologischen Prozesse (Metabolismus, Menses usw.) laufen in einem bestimmten Rhythmus ab. Am einfachsten lassen sich die im Tagesrhythmus laufenden Vorgänge beschreiben. Für diesen etwa 24 Stunden dauernden Zeitraum wurde der Begriff des cirka einen Tag andauernden (deshalb zirka-dianen / zirkadianen) Rhythmus etabliert.

Woher kommt der endogene Rhythmus?

Woher weiß der Organismus, wie spät es ist? Der endogene (von innen gesteuerte) zirkadiane Rhythmus im Organismus wird bei Säugern vom Nucleus suprachiasmaticus (SCN) im Hypothalamus getaktet. Der Nucleus suprachiasmaticus verwendet dazu Neurotransmitter, Neuropeptide, Neurone und Hormone.

Es ist wissenschaftlich erforscht, dass dieser Taktgeber auch bei völliger Isolation eines Menschen von den Tages- und Nachtsignalen (Sonne / Dunkelheit) zuverlässig arbeitet. Der endogene Rhythmus liegt bei nicht ganz 25 Stunden. Auf die 24 Stunden kommt der Organismus durch äußere Einflüsse.

Was sind exogene Einflüsse? Tag und Nacht und Arbeitszeiten

Die exogenen (von außen kommenden) Einflüsse auf den zirkadianen Rhythmus des Menschen lassen sich in zwei Kategorien unterscheiden:

  1. natürliche exogene Einflüsse wie Tag und Nacht (hell/dunkel)
  2. zivilisatorische Einflüsse wie soziale (familiäre, kulturelle) und gesellschaftliche (z. B. arbeitsbedingte) Faktoren

Was sind Beispiele für einen zirkadianen Rhythmus?

Ein zirkadianer Rhythmus wird in den Schwankungen von Körperfunktionen sichtbar:

  • Schwankungen der Herzfrequenz
  • Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Schwankungen des Blutdrucks und der Körpertemperatur
  • Der zirkadiane Rhythmus wird auch bei Isolierung von der Außenwelt durch die endogenen Einflüsse weitgehend aufrechterhalten.

Zirkadiane Rhythmusstörungen im Zusammenhang mit Depressionen

Mediziner und Studien berichten von Zusammenhängen zwischen zirkadianen Rhythmusstörungen und der Ätiologie (Entstehungsgeschichte) von Depressionen.

Es überrascht nicht, dass ein Mensch mittel und langfristig psychische Nöte entwickeln kann, wenn z. B. sein natürlicher Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinandergerät.

Vom Ergebnis her spielt es eine untergeordnete Rolle, ob eine zirkadiane Störung durch äußere Einflüsse wie grelles Bildschirmlicht vor dem Nachtschlaf, Alkoholkonsum oder durch endogene Einflüsse wie hormonelle Schwankungen ausgelöst wird.

Daher findet sich hier auf der Seite deprimere.com keine eindeutige Ursache-Wirkungs-Behauptung. Es wird darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit Depressionen zirkadiane Rhythmusstörungen genannt werden – und umgekehrt. Das eine kann das andere auslösen und gegenseitig bedingen.

Morgentief und Abendhoch

Morgentief und Abendhoch: was bislang über das Phänomen bei Depressiven bekannt ist

Depressive Menschen berichten davon, dass ihre Symptomatik in den Morgenstunden am schwersten wirkt. Im Verlauf des Tages beschreiben die Patienten häufig eine Aufhellung. In einigen Fällen ist auch von einem Abendhoch die Rede.

Sonnenaufgang bei Depressionen das Morgentief

Sonnenaufgang – für Depressive oft mit den Morgentief verbunden

Was ist ein Morgentief?

Morgentief heißt die für viele Depressive schlimmste Phase des Tages. Sie kann sich von den frühen Morgenstunden bis in den späten Vormittag ziehen. Depressive Menschen sprechen auch vom Morgengrauen. In den Morgenstunden scheint alles zusammenzukommen:

  • Angst vor den nicht erfüllbaren Aufgaben des folgenden Tages (auch wenn tatsächlich keine Aufgaben anstehen, springt das schlechte Gewissen an, die Selbstabwertung beginnt)
  • Zeit zum Grübeln, da alle noch schlafen
  • Erfahrungen aus vergangenen Tagen, als man im Bett geblieben war, um die Härte des Tages zu vermeiden
  • Zirkadiane Rhythmusstörung – so bezeichnen Mediziner das Durcheinander bei der Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin.

 

Warum kann der Kampf gegen sich selbst ein Problem sein?

Antidepressiva

Antidepressiva

Antidepressiva Symbolbild

Antidepressiva – Tabletten gegen die Depression

Viele Menschen mit Depressionen erwarten von Psychopharmaka (Antidepressiva) eine Wirkung, die ähnlich aussehen sollte wie die Wirkung einer Schmerztablette oder eines fiebersenkenden Mittels: 

    • Das Mittel soll meine Stimmung aufhellen
    • Die Tabletten sollen dafür sorgen, dass es mir gut geht
    • Dieses Medikament wird meine Depression erfolgreich bekämpfen

Erwartungen dieser Art – Tablette einnehmen und sehr schnell Wirkung sehen – können z. B. bei Antibiotika berechtigt sein. Wenn ein Angreifer, etwa eine bakterielle Infektion, den Körper attackiert und ausgeschaltet werden muss, können pharmakologische Interventionen lebensnotwendig sein.

Es soll nicht der Eindruck entstehen, hier würde pauschal Front gegen Psychopharmaka gemacht, im Gegenteil:

Psychopharmaka können eine große Hilfe sein

Psychopharmaka spielen in vielen Fällen eine entscheidende Rolle zur Bewältigung des Alltags und zum Abwenden schwerer Eskalationen, etwa Antipsychotika oder Anxiolytika in Krisensituationen (Psychosen, Panikattacken). Speziell zur sofortigen Senkung eines bedrohlich hohen Erregungsniveaus können Benzodiazepine wie Lorazepam lebensrettend wirken. Aber eben kurzfristig. Und nicht mit der Idee verbunden, die Lebensgestaltung pharmazeutisch zu regeln. Dies könnte in eine zumindest psychisch bedingte Abhängigkeit führen.

Falsch ist die Erwartung, dass es Problemlösungstabletten oder Glückspillen gibt

Die Einnahme von Tabletten gleich welcher Art kann niemals die eigene Aktivität ersetzen.

Es gibt wissenschaftliche Studien darüber, wie Sport im Vergleich zu Antidepressiva bei Depressionen wirkt. Sie können sich schon jetzt selbst ausmalen, in welchem Fall die Chancen recht gut stehen, dass ein Mensch die so heilsame wie erfreuliche Erfahrung macht: Ich habe mein Leben in Bewegung gebracht. Es rührt sich auch in mir wieder etwas.

  • 14 Tage tägliches, kilometerlanges Gehen an der frischen Luft oder Ausdauersport plus soziale Kontakte und eine sich selbst verordnete Pause mit dem Fragen, wann „es denn nun endlich besser wird“oder
  • 14 Tage Einnahme eines selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmers (SSRI) mit täglicher Überprüfung schon beim Aufstehen, ob das Mittel nun endlich wirkt

Mit welcher der beiden Strategien wird ein Mensch am ehesten Zufriedenheit und Zuversicht aufbauen? Lesen Sie den Artikel zum Vergleich der Wirksamkeit von Antidepressiva und Sport.

Dauer einer Depression

Wie lange dauert eine depressive Phase?

Eine depressive Phase kann am Morgen beginnen – und am Abend aus der Welt sein. Diese Aussage passt sicher nicht zur Ansicht der meisten Neurologen und Psychiater. Diese gehen davon aus, dass sich die meisten depressiven Episoden bei entsprechender Behandlung erst innerhalb weniger Monate zurückbilden. Bis zu 20 Prozent der Depressionen können jedoch 12 Monate und länger dauern. Als gut werden die Heilungschancen bei einer einzeln auftretenden depressiven Episode angesehen (Quelle: „Neurologen und Psychiater im Netz“).

Wie komme ich darauf, von einer Verstimmung zu sprechen, die innerhalb eines Tages verfliegt?

Sehen wir uns das Thema einer Symptomatik, ihrer Entstehung und Stabilisierung genauer an. Was müsste ich tun, um noch heute seelisch in den Keller zu gehen?

  • Ich müsste meine aktuelle Situation abwerten
  • Dann müsste ich das Leben anderer Menschen idealisieren
  • Und schließlich müsste ich versuchen, meine Vergangenheit zu ändern

Mit diesen drei Aktivitäten könnte ich bei mir eine Depression auslösen. Sobald ich es nicht mehr unternehmen würde, mir unerreichbare Ziele zu setzen, würde sich mein Zustand verbessern.

Es stellt sich die Frage: Wer will mit der Diagnose welches Ziel erreichen?

Besonders zu berücksichtigen ist die Frage nach der Definition von Depression. Es gibt Phasen von tiefer Niedergeschlagenheit, die über einen langen Zeitraum anhalten können.

Wenn ein Mensch nach dem Verlust eines Partners in eine lange Zeit der Trauer verfällt, wird dies von der heutigen psychiatrischen Diagnostik als Störung eingestuft.

Auch der Verlust des Arbeitsplatzes durch Kündigung oder den Beginn des Ruhestandes kann eine lange Zeit der Umstellung mit sich bringen, in der auch depressive Symptomatik auftaucht:

  • Die Frage nach dem Sinn im Leben
  • Zweifel daran, ob alle Verpflichtungen ausreichend erfüllt wurden
  • Zukunftsängste
  • Schuldgefühle wegen verpasster Möglichkeiten

Die heutigen Verzeichnisse von Krankheiten (DSM-V und ICD-10) stufen auch natürliche Phasen von Trauer als Krankheit ein. Dieser Umstand trägt dazu bei, dass sich viele Menschen immer mehr dafür abwerten, dass sie nicht heiter sind. Lesen Sie hierzu auch den Artikel zum Thema Selbstabwertung.

Was ist der Unterschied zwischen Depression und Burn-Out?

Unterschiede zwischen Depression und Burn-Out-Syndrom

Sind Depression und Burnout nicht dasselbe? Auf den ersten Blick kann es so wirken, als würden Menschen in depressiven Phasen in einem Burnout stecken – oder umgekehrt. Es ist  jedoch wichtig für den Umgang mit als depressiv definierten Menschen, die Unterschiede zu kennen.

„In diesem Zusammenhang erscheint es mir außerordentlich wichtig, Burnout von Depressionen zu unterscheiden.“

Dr. Gunther Schmidt im Geleitwort zu „Burnout-Prävention und -Intervention“, Johannes Faupel, Springer Gabler 2020

Dieser Text ist ein leicht abgewandeltes Zitat aus dem Geleitwort von Dr. Gunther Schmidt zu einem Burnout-Fachbuch, das ich als Herausgeber dieser Internetseite im Jahr 2020 bei Springer Gabler veröffentlicht habe (Link zur Website des Burnout-Fachbuches).

„Da Burnout gar nicht als ICD-Diagnose geführt wird, neigen viele Psychiater-Kollegen dazu, ihn einfach als Depression zu bewerten und so zu behandeln. Wie unsere Arbeit aber in vielen hunderten Fällen zeigt – und wenn man die typische Entwicklung und auch die damit in Verbindung stehende Biographie von Menschen betrachtet, die eine Depression entwickeln, und sie vergleicht mit der von Menschen, die einen Burnout entwickeln, so findet man in den meisten Fällen deutliche Unterschiede. In dieser Hinsicht bin ich mir z. B. auch mit meinem Freund Joachim Bauer einig, der auf diese Zusammenhänge ebenfalls hinweist (Bauer 2015).

Selbstzweifel und schwaches Selbstwertgefühl bei Depressionen

Menschen, bei denen starke Depressionen diagnostiziert werden, haben oft eine lange Geschichte starker Selbstzweifel und schwachen Selbstwertgefühls, oft verbunden mit massiven Ängsten, auch Misserfolgserfahrungen usw. hinter sich, häufig nach vielen entwertenden und enttäuschenden Erfahrungen schon früh in ihren relevanten Beziehungen.

Starker Selbstwert und hohes Engagement beim Burnout-Syndrom

Menschen, die einen Burnout entwickeln, beginnen fast immer mit starkem Selbstwert und Selbstbewusstsein, verbunden mit großem Enthusiasmus und oft größerem und auch bemerkenswert erfolgreichem Engagement in ihrer Arbeit oder sonstigen Tätigkeitsfeldern.“

Soweit das Zitat aus dem Geleitwort von Dr. Gunther Schmidt.

Warum ist wichtig, die Unterschiede zwischen Depression und Burnout zu kennen?

Die Unterschiede zwischen depressiven Personen und Menschen mit Burnout sind entscheidend für den professionellen Umgang mit ihnen.

Während ein Mensch mit depressiver Symptomatik eher eine Einladung zur Initiative benötigt, ist beim Burnout-Syndrom die Erlaubnis wichtig, Prioritäten zu setzen und langsamer zu treten.

Zur Startseite www.deprimere.com

Sind Depressionen heilbar?

Depression und Heilung

Viele Menschen fragen sich und ihre Therapeuten, ob Depressionen heilbar sind. Eine berechtigte Frage. Solange Depression ausschließlich als Störung erkannt wird, die es zu beseitigen gilt, fallen vor allem Psychotherapie und Psychopharmaka ein. Wer Depression auch als Ergebnis von Druck (deprimere) versteht, kommt zusätzlich auf andere Wege.

Welche Psychotherapie und welche Medikamente helfen gegen die Depression?

Wenn Sie eine Behandlung von Depressionen bei einem Psychiater oder Psychotherapeuten wünschen, wenden Sie sich bitte an Ihren Hausarzt. Die Internetseite deprimere.com konzentriert sich auf die Möglichkeiten, die Menschen nutzen können, um aus Phasen der Niedergeschlagenheit herauszuwachsen. Dies gilt natürlich auch begleitend zu einer therapeutischen und medizinischen Depressionsbehandlung.

Was ist mit der Idee von Heilung, wenn wir Depression wörtlich nehmen?

Sobald Depression im wörtlichen Sinn gesehen wird – als Ausdruck und Manifestation von Niederdrücken (lateinisch deprimere), also ein Niedergedrücktsein – taucht die Frage auf:

Woher kommt der Druck, der in der Depression spürbar ist?

Depressive Menschen berichten von körperlichen Erscheinungen wie „Druck auf der Brust“ oder das „Stehen unter einer unerträglichen Last“.

Solche Bilder sind typisch für das Erleben, das Menschen in Episoden der Niedergeschlagenheit beschreiben. Es sind die wortwörtlichen Übersetzungen der Seele für das, was wirklich passiert:

Druck.

Depression – von lat. deprimere niederdrücken

Depression kommt von lat. deprimere niederdrücken

Die Menschen machen sich selbst Druck oder glauben, dass andere ihnen Druck machen:

    • „Ich sollte heiter sein und nicht so sauertöpfisch“
    • „Niemand darf merken, dass ich depressiv bin“
    • „Ich muss doch funktionieren!“
    • Ich habe mich schuldig gemacht!
    • Das wird noch böse enden!
    • Hätte ich doch damals nur anders gehandelt!

Wie vermindere ich den Druck, der in der Depression spürbar ist?

Ein Außenstehender hätte schnell einen oberflächlichen Rat. Hören Sie doch einfach auf, nur so negativ zu denken! Das aber setzt die Menschen in der depressiven Phase noch mehr unter Druck. Erneut wird eine Leistung verlangt, erneut findet eine Abwertung des aktuellen Status statt.

So kann die Verminderung des inneren Drucks – und damit der Deprimiertheit – gelingen

  • Bedingungsloses Annehmen der eigenen Person – gerade in einer schmerzhaften Lage
  • Verstehen der Zusammenhänge, aus denen es zum Aufbau von Druck kommen kann
  • Geduld beim Finden kleinster Schritte, die in die Veränderung führen
  • Dreimaliges Spazierengehen am Tag von jeweils einem bis drei Kilometern – idealerweise in Gesellschaft und gerne schweigend

Ist eine Depression heilbar? Gibt es Heilung für dieses Leiden?

Zusammenfassung: Depressionen sind medizinisch-therapeutisch behandelbar. Mit der Anwendung evidenzbasierter therapeutischer Verfahren lassen sich gute Erfolge bei der Behandlung von Depressionen erzielen. Ob eine Heilung möglich ist, hängt auch davon ab, was mit dem Wort Heilung verbunden wird.

Wer sich wünscht, nie wieder in seinem Leben niedergeschlagen und mutlos zu sein, legt damit den Grundstein für kommende Depressionen.

Denn es ist mit dem Leben nicht vereinbar, stets bei guter Stimmung zu sein.

Zum Leben zählen auch solche Erfahrungen, die vorübergehend entmutigend und demotivierend wirken können.

Diese Erfahrungen sind jedoch nicht gleichzusetzen mit Depressionen.

 

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